Aus : Ein schrecklich netter Mord


 

1. Akt

 

Auftritt Connie mit Reisetasche durch die Gartentür, sie stellt ihre Tasche ab,

schaut sich neugierig um, sie wirkt etwas spießig und bieder- doch der Eindruck

täuscht

 

Connie:                       Hallo! Seid ihr da? Hallo! (Keine Reaktion, sie sieht sich weiter neugierig

im Wohnzimmer um, dann nach rechts, hört etwas, bleibt stehen und lauscht

Das Telefon klingelt, Auftritt Heinz mit dem Telefon durch die Schiebetür ins

Wohnzimmer, Hilde folgt und macht Zeichen, dass er das Gespräch beenden soll,

auf die Heinz nicht reagiert, Heinz nimmt das Gespräch unbeirrt entgegen, sie

bemerken Conny vorerst nicht, die lauscht interessiert, Heinz und Hilde sind schon

in dunklen Farben für die anschließende Trauerfeier für Herbert gekleidet

 

Hilde:                          Das kannst du doch nicht machen! (versucht ihm das Telefon zu entreißen, ohne Erfolg)

Heinz (sonor):             Haus Waldfrieden, Bestattungen, Fromm, guten Tag… (signalisiert Hilde Schweigen) Ja, natürlich, da sind Sie goldrichtig bei uns! Feuer oder Erde? Ach, ihr Mann wollte ein Seebegräbnis… Machen wir natürlich auch…Wir müssten das nur näher besprechen…Ja, natürlich…Dann wünsche ich Ihnen erstmal ahoi! Äh, mein herzliches Beileid.

Hilde (fuchtelt aufgeregt):

                                    Ahoi? !

Heinz:                         Kommen Sie doch morgen früh vorbei!? Verstehe…Heute Nachmittag? Ja, aber wirklich nur ganz kurz, um das Nötigste zu besprechen, eigentlich habe ich heute keine Zeit…

Hilde (empört):           Du bist irre! Du hast heute nicht nur „eigentlich“ keine Zeit, du hast überhaupt keine Zeit, weil wir heute nämlich deinen Bruder unter die Erde bringen! 

Heinz:                        Ja, in Ordnung, am Nachmittag…Danke.

Er legt auf

Hilde:                          Heinz, das geht nicht!

Heinz:                         Ach, Hilde, das hatten wir doch besprochen…

Heinz will Hilde in den Arm nahmen, die wehrt ihn ab

Hilde:                          Aber an einem Tag wie heute…Das ist nicht richtig! (sie schluchzt)

Heinz:                         Hilde, bitte, wir müssen vorerst ganz normal weiter machen,  da waren wir uns doch einig!

Hilde (seufzt ergeben):

                                    Ach, Heinz…

Heinz:                         Außerdem brauchen wir das Geld. Die Ehrlich mit ihren Wellness- Bestattungen gräbt uns doch das Wasser ab! Vertrau mir! (er küsst sie)

Hilde:                          Ja, die Frau ist eine Plage, aber leider auch sehr erfolgreich, plötzlich wollen alle von ihr bestattet werden. Ich versteh das auch nicht.

Conny räuspert sich lautstark, Heinz und Hilde fahren zusammen

Heinz:                         Wer sind Sie denn? Wie kommen Sie hier rein?

Connie:                       Gartentür, sorry!

Hilde (ungehalten):    Das ist ja wohl… Wir sind in Trauer, steht vorne auch dran: Wegen Trauerfall geschlossen! Und nicht etwa:  Tag der offenen Tür, hier kann jeder reinspazieren wie er denkt!

Connie (reuig):           Ich wollte euch nicht so überfallen…Aber wegen des Trauerfalls bin ich doch hier!!

Heinz:                         Ach so? Sind Sie eine Freundin des Verstorbenen?

Connie (lacht):           Freundin? Mensch, Heinz, ich bin deine Schwester Connie! Du hast mir doch die Mail geschrieben, wegen Herberts Tod?!

Heinz (völlig überrascht, dann dämmert es ihm): 

                                   Die Mail? Ja, hab ich geschickt... An… Cornelia?! Aber das kann                           nicht… nach all den Jahren!

Hilde (säuerlich):        Heinz, würdest du mich bitte mal aufklären, wer die Dame ist?

Connie (fröhlich):        Ich bin deine Schwägerin, auch wenn wir uns jetzt erst kennen lernen, schade, aber doch!

Heinz (sprachlos):       Dass du wirklich hier anreist (zu Hilde), den ganzen weiten Weg, das konnte ja keiner ahnen.

Connie (munter):        Deine kleine Schwester Connie aus Sydney, was sagst du nun?! Sie fällt ihm um den Hals, erdrückt ihn fast

Heinz:                         Meine kleine Schwester…Nicht zu fassen…25 Jahre ist das jetzt her, dass wir uns zuletzt gesehen haben (zu Hilde) Sie lebt in Australien! Ist nach dem Jahr als Au-Pair einfach dageblieben, unsere Connie!

Connie (lacht):            Das war die ganz kurze Kurzversion.

Heinz (zu Hilde):        Über die Botschaft habe ich ihre Adresse bekommen. (anklagend zu Connie) Du hast dich ja nie wieder gemeldet!

Connie:                       Sohn, Mann, Job, da kommt man zu nichts mehr. Aber jetzt bin ich ja da! Mein Sohn Donnie sagt immer: „Man muss nicht immer da sein, aber immer zur rechten Zeit am richtigen Ort“.

Hilde (säuerlich):        Ein bisschen naseweis, der Bengel, oder?!

Heinz (rechtfertigend): Ich musste sie schließlich über den Tod unseres Bruders informieren! Das gehört sich doch so!

Hilde (skeptisch):        Na, gut deine Schwester Connie aus Australien…Von der ich leider noch nie was gehört oder gesehen habe, auch nicht in der Kurzversion.     

Connie:                       Als du Herbert geheiratet hast, war ich gerade weg und Tommy schon unterwegs…(ironisch) Ach, was hab ich da verpasst!

Hilde (gibt ihr förmlich die Hand, zählt dann ohne Punkt und Komma auf):

                                    Wie dem auch sei, ich muss mich jetzt weiter um die Trauerfeier krümmen! Gleich kommen Tommy und Pfarrer Feldmann! Dann geht’s mit der Urne zum Friedhof, Beisetzung, alle wieder zurück mit den anderen Trauergästen, die wir dann am Grab einsammeln, Leichenschmaus, besinnliche Stimmung,  Nachrufe, Kyrie-  ein straffes Programm!

 

Connie:                       Und Luft holen wäre auch ganz gut zwischendurch…

Hilde:                          Was?

Connie:                       Nein, im Ernst, ich kann gerne helfen!

Hilde (wehrt ab):        Lieber nicht! Vielleicht können Sie mir später bei den Schnittchen zur Hand gehen, die sind aber auch schon so gut wie fertig...

Connie:                       Schnittchen? Warum nicht…

Hilde:                          Wo wohnen Sie eigentlich während Ihres Aufenthalts?

Connie:                       Na, ich dachte doch hier!?

 

(Entsetzte Blicke von Heinz und Hilde)

 

Ende Textauszug


                                      Aus: MORD IN ASPIK

Fernsehkoch Anton Bratbeker hat eine unbekannte Leiche in deiner Kühe gefunden! Anton holt erst einmal einen alten Schulfreund, Rudi Fricke, einen Scheidungsanwalt, zur Hilfe um sich von ihm juristisch beraten zu lassen. Leider ahnt er nicht, dass Rudi eine Affäre mit Antons Frau hat, und es ihm durchaus gelegen käme, wenn Anton ins Gefängnis müsste...


ANTON: Das ist hier los!?

(Lichtwechsel. Anton und Rudi stehen fassungslos vor der Leiche)

RUDI: (ungläubig) Wie ist das denn passiert? Ist der so tot, wie er aussieht? (Anton nickt) Anton, was

hast du getan?

ANTON: (versucht stammelnd und aufgeregt den Tathergang zu erklären) Der stand einfach in meiner

Küche! Einfach so! Mit einer Waffe in der Hand! Direkt hinter mir! Und dann zischte es und das

Licht ging aus und da muss es wohl passiert sein. Jedenfalls war er tot, als das Licht wieder anging!

Und ich hatte das blutige Messer noch in der Hand! So war das!

RUDI: (wieder cool) Weißt du, wer das ist?

ANTON: Keine Ahnung. Nie gesehen.

(Rudi nimmt ein Geschirrhandtuch und sucht in den Taschen der Leiche.)

RUDI: Kein Ausweis, kein Führerschein … Nichts. Hat er was gesagt?

ANTON: Er hatte so einen komischen Akzent … Faselte irgendwas von wegen „ich will … “

RUDI: Ja, was wollte er denn?

ANTON: Woher soll ich denn das wissen, hat er ja nicht gesagt …

RUDI: Ja, wie soll er auch, wenn du ihn vorher umbringst! Und wo war Eva?

ANTON: Die war im Schlafzimmer, hat nichts mitgekriegt, das arme Zitronenbällchen …

RUDI: Eva weiß also gar nichts davon?

ANTON: Nein …

RUDI: (nickt bedächtig) Und wo ist das Messer?

ANTON: In der Spüle.

RUDI: Und die Waffe?

ANTON: Im Aspik.

RUDI: Na, Mahlzeit.

ANTON: (aufgeregt) Der wollte mich bestimmt ausrauben! Ich rufe die Polizei! Du bist ja jetzt da,

und ich habe juristischen Beistand! Du wirst mich da schon wieder raushauen. (Anton greift zum

Telefon.)

RUDI: (überlegt) Wieder raushauen? Moment mal! Nicht so hastig. Das will jetzt gut überlegt sein!

(Rudi nimmt ihm das Telefon wieder weg, er wird im Folgenden versuchen, die Situation zu seinen

Gunsten zu beeinflussen und Anton zum Verwischen der Spuren zu animieren.)

ANTON: Aber ich hab doch nichts gemacht! Das war Notwehr!

RUDI: (überlegt weiter) Siehst du, an dem Punkt wird es nämlich schon kompliziert. Hast du denn

gesehen, dass der Mann eine Waffe hatte?

ANTON: Wie denn? War doch stockfinster!

RUDI: Aha! Also nicht.

ANTON: Was soll das denn jetzt heißen?

RUDI: Ich versuche dir nur zu erklären, dass es immer kompliziert wird, wenn eine Leiche in der

Küche liegt, und man behauptet, nichts, aber auch gar nichts gemacht zu haben.

ANTON: Wie? Was soll denn daran kompliziert sein, wenn man nichts gemacht hat?

RUDI: Wie ist die Leiche dann von deiner Küche in deinen Koffer gekommen?

ANTON: (begreift) Oh … Oh je!

RUDI: Da hast du dann wohl doch was gemacht!

ANTON: Aber ich hatte Panik! Auch wegen Eva … Wie hätte das denn ausgesehen, mit Ente und

Einbrecher? Den Schock musste ich ihr doch ersparen.

RUDI: (nimmt den Ball auf) Wegen Eva, klar … Ihr wollt euch auch bestimmt nicht trennen?

ANTON: (aufgebracht) Sag mal, sind dir jetzt die Aufträge knapp? Eva und ich werden uns morgen

von einem Luxusliner in Richtung Key West verschiffen lassen. Romantische Sonnenuntergänge,

Cocktails mit Schirmchen – Gute Gespräche und hemmungsloser Sex! Das volle Programm! Von

Scheidung kann da ja wohl nicht die Rede sein!

RUDI: (blickt auftrumpfend auf die Leiche) Es sei denn, sie erfährt, was hier passiert ist.

(Anton realisiert schlagartig, dass seine Reisepläne plötzlich hinfällig geworden sind.)

ANTON: Oh Gott! Oh Gott, du hast Recht! Mein armes kleines Avocadosorbet! Sie freut sich doch

schon so …

RUDI: (spielt eiskalt die einzelnen Szenarien durch) Ja, so ein Mord kann einem ganz schön den

Urlaub verhageln.

ANTON: Mord? Doch kein Mord!

RUDI: (unbeirrt weiter) Bestenfalls Totschlag …

ANTON: (ungläubig) Aber, das kann doch nicht …

RUDI: Die Polizei führt dich dann vor den Augen deiner Frau und der Nachbarn in Handschellen

ab …

ANTON: Hasenkötters …

RUDI: Und du wirst wochenlang in Untersuchungshaft schmoren, bei Sträflingskost, billige Brechbohnen

aus dem Discounter essen …

ANTON: Oh nein, wie ekelhaft!

RUDI: Bis zur endgültigen Verhandlung ist deine Fernsehkarriere längst den Bach runter gegangen,

dein Restaurant pleite …

(Anton wimmert.)

Und deine Frau und dein Sohn werden ihren Namen ändern, weil sie die Schande einfach nicht

mehr ertragen …

ANTON: (bettelt) Rudi! Bitte! Hör auf!

RUDI: (gnadenlos weiter) Und nach zähem Ringen mit der Staatsanwaltschaft, was wiederum neuen

Medienrummel bedeutet, sitzt du denn die paar Jahre natürlich locker ab!

ANTON: (flattert wie ein halbtoter Brummer ) Du warst in der Schule schon so grausam … Immer

noch die Flügel ausgerissen, wenn das arme Tier schon am Boden lag …

RUDI: (kostet seine Überlegenheit aus) Du hast mich schließlich um Rat gefragt!

ANTON: (zittert) Glaubst du wirklich, dass es so schlimm kommt? Also Brechbohnen aus dem

Discounter verstoßen doch fast schon gegen die Genfer Konventionen. Kann ich denn nicht einfach

sagen, dass es ein Unfall war?

RUDI: Ein Unfall? Schon wieder? Da könnte es unter Umständen sogar noch schlimmer für dich

kommen, wenn der Staatsanwalt die Geschichte mit Chantal und ihrem abgehackten Finger ins

Feld führt. Dann wäre es ganz schnell Vorsatz!

ANTON: Vorsatz? Also, wirklich, wenn die dumme Hippe mir ohne Vorwarnung während der

Sendung einfach direkt in mein Essen grabscht …

RUDI: … könnte man annehmen, dass du mit diesen scharfen Geräten, die eben auch Waffen sind,

überhaupt nicht umgehen kannst …

ANTON: Ein Küchenmesser ist doch keine Waffe!

RUDI: Es war ein Sushimesser, mit dem du die arme Chantal tranchiert hast. Ein absolut scharf

gewetztes Sushimesser, das Sehnen und Knochen mühelos sofort durchtrennt …

ANTON: Die wollte doch nur noch eine Großaufnahme mehr ergattern!

RUDI: Und man könnte weiterhin annehmen, besonders, wenn du so standhaft behauptest, du könntest

sehr wohl mit deinen Messern umgehen …

ANTON: (trotzig) Und ob ich das kann!

RUDI: Dass du das einfach mit Absicht machst!

ANTON: Ich? Mit Absicht?

RUDI: O ja, das könnte man annehmen. Es macht dir einfach Spaß, beim Kochen Menschen zu

verstümmeln oder zu töten!

ANTON: Bist du verrückt?

RUDI: Nein – aber du! Du wärest dann nämlich hochgradig irre. Ich sehe schon die Schlagzeile

„Sternekoch im Blutrausch. Er beteuert: Ich bin unschuldig!“

ANTON: Jetzt reicht`s aber!

RUDI: Das könnte dann natürlich noch ein Gutachten auf geistige Zurechnungsfähigkeit, Aufenthalt

in einer psychiatrischen Klinik mit anschließender Sicherheitsverwahrung und lebenslanges

Kochverbot nach sich ziehen!

ANTON: (gibt auf) Gut, die Polizei kann ich also nicht mehr rufen.

RUDI: Schon wegen Eva …

ANTON: Aber was soll ich denn sonst machen?

RUDI: Zeit gewinnen!

ANTON: Das ist alles?

RUDI: Du musst dir überlegen, was du mit der Leiche machst …

ANTON: (empört) Dieser Gangster, taucht plötzlich meiner Küche, das ist doch keine Art! Dafür lasse ich mich nicht zu billigen Brechbohnen verurteilen!

RUDI: Das ist der alte Kampfgeist! Bravo Anton! Du musst ihn erstmal verschwinden lassen!

 

Ende Textauszug

 

 

                                                Aus: Beste Freunde


 

1.Szene

 

Annie Winkelmann überredet ihren alten Schulfreund Bruno, von Nostalgiegefühlen beseelt, noch einmal gemeinsam die alte Schule zu besuchen- diese ist leider nur noch eine Ruine

 

Vorbühne

Nacht, man erkennt schemenhaft einige Steinhaufen, Annie tastet sich mit einer Taschenlampe durch die Dunkelheit, Bruno stolpert hinter ihr her

 

Bruno (stolpert in der Dunkelheit über einen Stein und flucht lautstark):

                                                      Aua! Dreck! Verdammte Scheiße, Annie, was wollen wir denn                     überhaupt hier?

Annie (bleibt stehen):                   Da ist es! 

Bruno (leicht genervt):                 Ja, toll. Riesensteinhaufen. Haben wir jetzt gesehen. Ganz toll, Annie- ich geh zurück. (will sich umdrehen, Annie hält ihn zurück)

Annie (zieht ihn aufgeregt am Pullover):

                                                       Nun wart doch mal! Schau mal, da war unser Klassenraum, da  haben          wir damals Abi geschrieben…Das war doch hier?

Bruno (zeigt in eine andere Richtung):

                                                       Nein, da drüben.

Annie (lacht):                                 Stimmt, da drüben. Mitten in der schriftlichen Prüfung ist die Heizung ausgefallen und keiner durfte mehr raus.

Bruno:                                            Und es wurde so schweinekalt, dass uns die Finger fast blaugefroren sind. Naja, war eben damals schon ne Ruine…

Annie (verklärt):                            Mensch, Bruno, wie lange ist das jetzt her…

Bruno:                                            Mensch, Annie, nicht lange genug, wenn du mich mitten in der Nacht hier herschleppst. Ich dachte wir gehen ein Bier trinken…

Annie:                                           Fast 20 Jahre! Unglaublich! Als ich in der Zeitung gelesen habe, dass sie das Gebäude abreißen, musste ich  noch mal herkommen, ich wollte das einfach noch mal sehen.

Bruno (irritiert):                           Aber da ist nichts mehr zu sehen!

Annie:                                          Was die wohl mit dem Grundstück machen?

Bruno:                                          Kommt n’ schicker Supermarkt hin.

Annie (wehmütig):                       Ist schade drum, war ne schöne Schule.

Bruno:                                          War `ne blöde Schule.

Annie (unbeirrt):                          Für mich nicht. Hätte ich damals nicht jeden Tag hierher kommen    können, wär ich kaputt gegangen, bei dem ganzen Krach zu Hause.Meine Eltern haben sich doch nur noch gestritten…

             

Bruno (seufzt):                             Immer wegen Geld…Ich weiß…

Annie (mit verklärtem Lächeln):  Da drüben, da war der Eingang, da haben wir uns kennen gelernt. Im Hauseingang haben wir in der 5- Minuten- Pause immer zusammen geraucht. (sie setzt sich auf einen Stein) Weißt du noch?

Bruno (zeigt in eine andere Richtung):  Klar, aber der Eingang war da drüben. Sag mal Annie, willst du jetzt  hier picknicken?

Annie:                                           Lass uns einen Moment hier sitzen, komm! Nur einen Moment. Bruno mault und setzt sich dann doch neben sie

Bruno:                                           Heute rauchen sie nicht mehr…(zündet sich eine Zigarette an) Die gehen gleich zu Alk und Crack über.

Annie:                                           Fragst du dich nicht auch manchmal, was die anderen heute so machen?

Bruno:                                           Welche anderen? 

Annie:                                           Na, unsere alte Clique, Charlie und Marc.

Bruno:                                           Charlie?

Annie:                                           Charlotte.

Bruno:                                           Ach die! Richtig, die war doch damals deine allerbeste Freundin- und hat  auch alles getan, damit wir beide nicht zusammen kommen…

Annie (unschuldig):                      Sie fand bloß, dass du nicht der richtige Typ für mich warst.

Bruno:                                          Als ob die das beurteilen konnte…

Annie (nimmt Brunos Hand):      Konnte sie nicht! Deshalb hab ich ja auch nicht auf sie gehört.

Bruno (lacht):                               Wow, das jetzt aber echt eine schöne Genugtuung. Danke Annie!

Annie (ernst):                               Ich weiß noch, dass ich damals richtig neidisch auf Charlie war.

Bruno:                                          Warum das denn?

Annie:                                           Sie war so hübsch und so klug, neben ihr sah ich immer doof und hässlich  aus.

Bruno:                                           So ein Quatsch...

Annie:                                           Ob sie wohl wirklich Chirurgin geworden ist?

                                                      Das wollte sie doch immer…

Bruno:                                           Sie? Ihr Vater wollte das. So wie mein Vater wollte, dass ich Ingenieur werde…

Annie (bitter):                               Immer noch besser als Eltern zu haben, denen es völlig egal ist, was du machst…

Bruno:                                           Vielleicht…Aber das ist doch alles Schnee von gestern Annie. Wen kümmert das denn noch?

Annie:                                            Mich! Naja, nicht, was man damals so alles wollte, gut, das ist vorbei, aber was draus geworden ist, aus unseren Träumen! Was aus uns geworden ist, das interessiert mich schon!

Kurze Pause

Bruno (zögerlich):                         Annie, ich muss dir noch was erzählen…

 Annie (hört ihm nicht zu):            Wir haben immerhin viel Zeit mit den beiden verbracht. (begeistert) Charlotte und Marc waren doch echt ein Traumpaar, die haben immer Leben in die Bude gebracht, mit denen war immer was los.

Bruno (überlegt):                            Marc…Ja, Marc konnte ganz gut Billard spielen. Ok, mit 17 beeindruckt  einen das noch, aber sonst?

Annie:                                             Er wusste jedenfalls damals schon ganz genau, was er wollte…

Bruno:                                             Kann sein… Aber Charlotte hatte doch oft Stress mit ihm, dann hat sie sich immer schön bei dir ausgeheult…

Annie:                                              Ja, klar…Wir waren doch Freundinnen.

Bruno (will gehen):                         Naja, ich muss morgen jedenfalls früh raus, Annie.

Annie (hält ihn zurück):                  Muss ich doch auch.

Bruno:                                              Komm, das bisschen Schreiben machst du doch mit links, war doch immer so bei dir…

Annie (zickig):                                Hättest dein Studium ja nicht hinschmeißen müssen. Dann hättest du auch mehr Möglichkeiten gehabt!

Bruno (gelassen):                            Ach, komm, das hätt’ mir auch nichts gebracht. Ich bin froh, dass der ganze Quatsch vorbei ist, ehrlich. Schule, Abi, Studium- doch nicht, anderes Studium- nee, auch nicht, Vordiplom vergeigt, blaugefrorene Finger und ’n krummer Rücken, das war das einzige was dabei rausgekommen ist und ich hätt’s dir von Anfang an sagen können… Ich hab mein Abi und den Führerschein und das langt mir. Für heutige Verhältnisse fast ne Traumkarriere, kann man nicht meckern. (grinst) Da könnte ich doch immer noch Superstar werden, während du als Berufs- Luder oder Topmodel eindeutig zu alt bist.

Annie (lacht):                                     Das war damals zum Glück noch keine Alternative.

Bruno:                                                Ist es heute auch nicht, merkt nur keiner.

Annie:                                                Das ist schon komisch, was die jungen…

Bruno (protestiert):                            Wir sind noch nicht mal 40! Wir sind jung!

Annie:                                                 Ja…vielleicht, aber ich mein auch die ganz Jungen, die, die heute so  alt sind, wie wir damals…Was die so treiben…

Bruno:                                                 Na, die hängen eben den ganzen Tag in irgendwelchen Chatrooms, lange Sätze sind sowieso out.

Annie:                                                Und sie wollen alle ins Fernsehen, egal womit.

Bruno (zuckt mit den Schultern):      Ach, ist doch auch ein Weg, sollen sie das doch machen.

Annie:                                                Aber wir waren so anders!

Bruno:                                                Ja, wir haben gedacht, wenn wir nur brav unsere Studienbücher auffüllen, dann kämen der Erfolg und das dicke Bankkonto von ganz allein- und als Sonderbonus obendrauf ein außer-ordentliches Anrecht auf Glück und Zufriedenheit.

Annie (lacht wieder):                          Ja, so ähnlich.

Bruno:                                                 Na, dann waren wir wohl doch nicht so anders. Heute ersetzen sie die Studienbücher nur durch Castingshows, das ist alles. (reibt sich die kalten Hände, steht auf) So, Annie, war ja schön, aber das langt mir jetzt hier.

Annie:                                                 Du gehst jetzt?

Bruno:                                                 Ja, klar. Ich wusste schon vor 20 Jahren nicht, was ich hier eigentlich soll. Kommst du mit?

Annie (schnell):                                  Sicher, ich komm mit. (reicht Bruno ihre Hand, er zieht sie hoch) Ich wollt’s ja auch nur noch mal sehen…

Bruno:                                                 Haste ja nun auch. Halleluja.

Annie (stolpert versonnen hinter ihm her):

                                                             Waren wir eigentlich auch ein Traumpaar?

Bruno:                                                  Kann sein, hat aber auch keiner gemerkt…

 

Bruno und Annie ab

 

 

 

ENDE TEXTAUSZUG

 


Dunkel

Licht auf ein Brückengeländer auf der Vorbühne, direkt unter einer Laterne, eine Reisetasche steht achtlos vor dem Geländer, Rosa ist bereits über das Geländer geklettert und steht unentschlossen auf der Flussseite des Geländers, sie klammert sich fest an das Geländer und ihre Handtasche, blickt ängstlich nach unten

 

Paul kommt pfeifend und gut gelaunt des Weges, sieht Rosa und eilt geistesgegenwärtig sofort zu ihr

 

Paul:                                Hey, hey, nicht bewegen! Ganz ruhig, ich helfe ihnen!

Rosa (panisch):               Kommen Sie mir bloß nicht zu nahe! Gehen Sie weg! Gehen Sie einfach weiter- und weg!

 

Mit einem kleinen Aufschrei der Überraschung verliert sie fast den Halt

Paul versucht sie über das Geländer auf seine Seite zu ziehen  

 

Paul (unbeirrt)                Ich zieh Sie rüber, das haben wir gleich.

Rosa:                               Nein! Gehen Sie weg!

Paul versucht weiter, sie über das Geländer auf seine Seite zu ziehen

Paul:                                Ich kann Sie hier doch nicht so hängen lassen!

Rosa:                               Da wären Sie nicht der Erste!

Paul:                                Hören Sie doch auf zu zappeln!

Rosa (wehrt sich):           Lassen Sie mich los! Ich kann zappeln wo und wann ich will!

Rosa zappelt weiter und wehrt sich

Paul:                               Aber ich will Ihnen doch nur helfen!

Rosa:                              Ja, das sagen Sie alle! Und dann bekommt man nur die doppelte Dosis von  etwas, was man nicht will und nicht braucht.

Paul (entsetzt):               Was? Die doppelte Dosis? Haben Sie etwa auch noch Schlaftabletten intus?

Rosa (wehrt ab):            Sie verstehen gar nichts. Ich brauche Ihre Hilfe jedenfalls nicht! Das geht Sie      alles gar nichts an. Hauen Sie einfach ab!

Paul (probiert eine neue Strategie, ruhig und sachlich): 

                                       Aber…Das wollen Sie doch gar nicht!

Rosa (trotzig):                Und ob ich das will!

Paul:                               Wollen Sie nicht!

Rosa:                              Will ich doch!

Paul:                               Wollen Sie nicht!

Rosa:                              Will ich doch!             

Paul (seufzt):                  So kommen wir nicht weiter.

Rosa:                              Ich will ja auch gar nicht weiter!

Paul (überlegt):              Ich kann Ihnen genau sagen, warum Sie das nicht wollen!

Rosa (zickig):                 Na, da bin ich mal gespannt!?

Paul:                               Sie hängen hier direkt unter der hellsten Laterne weit und breit! Das würden Sie nicht tun, wenn es Ihnen wirklich ernst wäre. Sie wollen gesehen werden!

Rosa:                              Sind Sie Detektiv oder so was?

Paul:                               Wenn Sie so wollen, Versicherung, Abteilung Schadensfälle. Und bei Ihnen ist ganz klar: Sie wollen gerettet werden!

Rosa:                              Aber ganz sicher nicht von Ihnen!

Paul:                               An Ihrer Stelle wäre ich nicht so wählerisch!

Rosa:                              Ich bin kein Schadensfall!

Paul:                               Ja, noch nicht!

Rosa (irritiert):               Was will Ihre blöde Versicherung denn von mir? (mit Nachdruck) Außerdem, ich kann beweisen, dass es mir ernst ist!

Paul (wiegelt ab und ist langsam am Ende seines Lateins):      

                                       Ja, ja, sicher können Sie das. Wir von der Inkontinentia haben da ganz strikte       Anweisungen! Einfach von der Brücke springen geht gar nicht! Da haben Sie keinen Anspruch auf Schadenersatz!

Rosa (erbost):                 Ich bin doch gar nicht versichert! Dann geht das sehr wohl!

Paul (erstaunt):               Gibt’s das? Aber gut, gegen Starrsinn und Blödheit kann man sich auch nicht    versichern lassen!

Rosa (bricht in Tränen aus):

                                      Warum sind Sie so gemein zu mir, ich hab Ihnen doch  nichts getan. Ich bin                                             nicht blöd! (es sprudelt alles aus ihr heraus) Ich habe nur keinen Mann, keinen                                         Job, keine Wohnung- noch nicht mal eine Versicherung! Alles weg (sie heult)     

Paul (reuig):                 Das tut mir leid! War nicht so gemeint! Hab ich doch nicht gewusst!

Rosa (zickig):               Was glauben Sie denn, warum ich hier stehe? Und Sie beschimpfen mich auch noch!

Rosas Handy klingelt

Rosa (aufgeregt):          Schnell! Gehen Sie ran!

Paul:                              Was soll ich?

Rosa:                             Es ist hier in meiner Manteltasche, ich komm da jetzt nicht hin. Gehen Sie ran!

Rosa verdreht sich bedrohlich, Paul sucht panisch das Handy in ihrem Mantel, sie verdrehen sich jetzt beide auf groteske Art, fest aneinander geklammert, Paul hat das Handy erwischt

Paul:                               Ja, ist ja gut…Gleich…

Rosa (panisch):              Gehen Sie doch endlich ran!

Das Handy klingelt  weiter

Paul (gereizt):                 Nun hetzen Sie mich doch nicht! Was soll ich denn überhaupt sagen?

Rosa (in Rage):               Sagen Sie Eddie, dass es aus ist!

Paul:                                Eddie?

Rosa:                               Ich komme nie, nie, nie wieder zu ihm zurück! Sagen Sie ihm das! Er soll morgen die Zeitung lesen, aber dann (Das Handy klingelt immer weiter) ist es zu spät, um noch etwas zu bereuen!

Paul (erwischt endlich das Handy und geht ran):   Hallo? Verstehe…Ja, das weiß ich nicht…Es ist gerade etwas ungünstig…Moment, ich frag mal…Das ist Ihr Handyanbieter, er will wissen, ob Sie mit Ihrem Vertrag zufrieden sind?

Rosa (bekommt einen Schreikrampf):

                                       Was? Nein, ich bin NICHT ZUFRIEDEN! Überhaupt nicht!

 

Rosa schnappt sich das Handy, wirft es wütend ins Wasser, dabei  fällt sie  jetzt

fast vom Geländer, Paul nutzt die Gunst der Stunde, er zieht sie

schnell und mit großer Mühe auf die andere Seite, beide fallen lautstark und

ächzend auf zu Boden

 

Paul (außer Atem):           Großer Gott! Was haben Sie denn da in Ihrer Handtasche?

Rosa:                                Ach, das sind nur die Backsteine.

Paul:                                 Die Backsteine?

Rosa (triumphierend):     Da sehen Sie mal, wie ernst es mir ist!

                                             

Dunkel

Rosa mit Reisetasche und Paul ab

 

Ende Textauszug

 

 

       Aus: Das Aschenputtel- Casting- für immer und ewig

 

 1. Akt, 1. Szene

 

Gedimmtes Licht. Die Tür geht auf. Auftritt H.-W. König - gekleidet im klassischen schwarzen Rollkragenpullover - und mit speckiger Ledermappe bewaffnet, gefolgt von Ronny - gekleidet in Turnschuhen und Jeans. Das Licht geht ganz an.
 H.-W. König: (betont schwungvoll) So, Kinder, da wären wir. Kommt rein, ihr beiden!  (schaut sich noch mal um) Äh… seid ihr nicht zu zweit!?
 Ronny: Also, ich bin jedenfalls da! (gibt ihm anbiedernd die Hand) Ronny Schreiber, freut mich! Das ist doch hier das Aschenputtel Casting?
 H.-W. König: Ja, sicher, Aschenputtel, nicht Schneewittchen, (lacht bemüht laut) das ist erst morgen!
 Ronny: Dann ist hier ja bald der ganze Märchenwald vertreten. (lacht auch bemüht laut)
 H.-W. König: War ein Scherz!
 Ronny: Ja, sicher.
 H.-W. König: (macht seine Mappe auf, holt einige ungeordnete Zettel) Gut, also, du und diese… Frau Roll, wo ist die… (schnipst) die… Dings, die…
 Ronny: Alex?
 H.-W. König: (schaut auf einen seiner Zettel) Alexandra Roll! Genau, wo ist die?
 Ronny: Keine Ahnung, aber die kommt gern mal zu spät, das kennt man!
 H.-W. König: (entschieden) Ja, aber nicht bei mir! Das kann sie sich aber so was von abschminken!
 Ronny: (zuckt mit den Schultern) Meine Arbeitsauffassung ist das auch nicht. (schaut sich im Raum um) Wo ist eigentlich die Kamera?
 H.-W. König:
 Wieso Kamera? 
Ronny: Na, ich dachte, dass…
 H.-W. König: Nee, nee, nicht denken - auf keinen Fall! Das ist hier erst mal nur ein Casting zum Kennen- lernen, das sind keine Probeaufnahmen, so arbeite ich nicht. Wir treffen uns hier ganz locker, ganz  pur, ohne Druck, um einige Szenen zu proben, und am Ende sehe ich dann, wie du und die (schnipst) Dings…
 Ronny: Alex!
 H.-W. König: Wie ihr beide harmoniert, oder eben auch nicht.
 
Lautstarker Auftritt von Alex - nach Luft schnappend. Sie trägt einen kurzen Minirock und eine Bluse.
 Alex: Shit, sorry. Bus verpasst!
 H.-W. König: Du bist jetzt Alexandra? (nickt freudestrahlend) Da gibt es nichts zu grinsen, Fräulein! Eigentlich kannst du gleich wieder nach Hause gehen!
 Alex: Was? 
 H.-W. König: Schlendrian kann ich mir hier nicht leisten! Wir wollen hier einen Film machen, da hängen viele Leute dran, da geht es nicht nur um Kunst!
 Ronny: Ich weiß, da geht es auch um viel, viel Geld.
 H.-W. König: Genau, und deshalb erwarte ich konzentrierte und konstruktive Mitarbeit von euch! Zu spät kommen gehört nicht dazu!
 Alex: (reuig) Ok, tut mir sehr Leid, ich komme sonst nie zu spät…
 
Ronny lacht hämisch, erntet dafür einen bösen Blick von Alex.
 Alex: …aber der Bus…
 H.-W. König: (genervt) Ja, ist gut jetzt, nicht die ganze Glocke.
 Alex: Wieso Glocke? Bus!
H.-W. König: (brüllt sie an) Das ist mir so was von egal, da nimmt man dann eben einen Bus früher!
 Alex: Noch mal sorry, kommt nicht wieder vor. Was soll ich noch sagen, dumm gelaufen. (Flucht nach vorn, gibt ihm offensiv die Hand) Ich bin jedenfalls die Alex, dein Aschenputtel! Und du bist dann H.-W., unser Regisseur!?
 H.-W. König: Auf jeden Fall bin ich hier der Regisseur! Ihr beide seid nur eine von vielen Optionen, da ist noch nichts entschieden!
 Ronny: (lacht anbiedernd, macht einen militärischen Gruß, knallt mit den Hacken) Eye, eye, mein Captain!
 H.-W. König: (zu Alex) Was hat der denn jetzt?
 Alex: (rollt die Augen) Manchmal muss er eben den Klassenclown geben, ist immer ziemlich peinlich! 
 H.-W. König: (zu Ronny) Für welche Rolle sprichst du hier vor? Den Hofnarren?
 Ronny: (verunsichert) Äh… nee, für den Prinzen, natürlich!
 H.-W. König: Ja, das passt. (überlegt) Der  Prinz ist sowieso immer der Depp! Find ich gut!
 Alex: (lacht Ronny schallend aus) Der Depp, das passt wirklich. 
 Ronny: (versucht die Situation zu retten) Ich habe eben nur ein bisschen improvisiert, aber ich habe noch viel mehr drauf! Ich könnte auch noch…
 H.-W. König: (lacht und winkt ab) Nee, danke, reicht schon!
 Alex: H.-W., was ich noch fragen wollte… 
 H.-W. König: Auf „H- W“ stehe ich jetzt nicht so bei Leuten, mit denen ich noch nie gearbeitet habe! Das hat immer so was von Vetternwirtschaft und das habe ich nicht so gern! Wir duzen uns hier schon alle, aber ihr nennt mich bitte „Herr König“!
 Alex: (leise zu Ronny)  Also duzen wir ihn jetzt oder lieber doch nicht?
 Ronny: Lieber nicht!
Alex: Ok. (setzt noch mal an und sieht sich um) Herr König, was ich noch fragen wollte, wo ist denn eigentlich die Kamera und die Kulisse und die Maske und…
 H.-W. König: (genervt) Es gibt hier keine Kamera - wir sind auch nicht im Filmstudio, falls du das noch nicht bemerkt haben solltest, sondern auf einer Probebühne!
 Alex: (irritiert) Probebühne?  Ja, doch, habe ich bemerkt - zum Proben, verstehe. Und was proben wir jetzt auf dieser Bühne, hier ist ja fast alles leer?
 Ronny: (beflissen zu Alex) Herr König möchte, dass wir zuerst einige Szenen - ohne Kamera, ohne alles - nur für uns proben, ganz locker, ganz pur!
 Alex: Aha!? (zischt ihn an) Woher weißt du das?
 Ronny: (zischt zurück) Weil ich vor dir da war!
 H.-W. König: Wie ihr vor der Kamera wirkt, das habe ich ja schon auf euren Demobändern gesehen, das interessiert mich nicht! Ich will sehen, ob ihr die Rollen im Zusammenspiel bewältigen könnt!  
 Beide nicken.
 H.-W. König: Textbücher?!
 Ronny: (zieht seins) Klar! Haben Sie ja geschickt. Habe meine Rolle auch schon angelernt, das sind prima Dialoge!
 Alex: (kramt hektisch in ihrer Tasche) Moment, bitte. Ich habe es dabei. (findet es nicht) Aber ich habe es natürlich gelesen. Das ist wirklich gut, tolles Drehbuch, gefällt mir sehr!
 H.-W. König: (ungerührt) Könnt ihr wegschmeißen!
 Ronny: Was?
 H.-W. König: (nimmt sich einen Stuhl und setzt sich) Das ist Dreck! Habe den Drehbuchautor gefeuert! Wir brauchen was Frisches, was völlig Neues. Aschenputtel mal ganz frech. Eine innovative Adaption, weg von dem ganzen Grimm- Quatsch. Eine moderne Fassung, die in die heutige Zeit passt!
 Ronny: Wow, das hört sich gut an!
Alex: Cool, weg von den verstaubten Schwarten! Und wer schreibt jetzt das Drehbuch?
 H.-W. König: (stolz) Da habe ich Glück gehabt, dass er gerade frei war! Das macht jetzt Tom Drechsler und der ist wirklich top! Ist euch sicherlich ein Begriff?!
 Ronny: (hat eine vage Ahnung) Ja, sicher, der ist top.
 Alex: (hat überhaupt keine Ahnung)  Klar, Tom Drechsler, der ist so was von top, der toppt sie alle!
 H.-W. König: (schwärmt) Ja, ich bin auch wirklich froh, ihn für dieses Projekt gewonnen zu haben! Ist ein alter Freund von mir und der bringt sich richtig mit ein, der weiß, wie ich arbeite! Der gibt alles!
 Alex: (leise zu Ronny) Der alte Freund?
 Ronny: (leise zu Alex) Vetter!
 Alex: (leise zu Ronny) Der fette Freund aus der Wirtschaft! 
 Beide prusten verkniffen vor Lachen.
 H.-W. König: (streng) Ihr nehmt das aber schon ernst, hier?!
 Alex: Sicher! Tom Drechsler! Top-Autor!
 Ronny: Da können wir alle stolz sein, wenn der für uns schreibt, dann kann das nur klappen!
 H.-W. König: Also, Tom hat mich überzeugt, dass wir für dieses erste Casting mit euch beiden nur die eine, kleine Schlüsselszene brauchen: die Schuhszene, die ist der Dreh- und Angelpunkt! Wenn die stimmt, dann stimmt alles! Da müssen wir hin! 
 H.-W. König steht auf, Ronny steht auch auf, Alex bleibt noch etwas verunsichert sitzen.
 Alex: Ok, aber wo kommen wir denn her? Gibt es noch gar kein neues Textbuch!? Keine Geschichte? 
 H.-W. König: Mensch! Aschenputtel! Haben Sie sich denn gar nicht vorbereitet? Das kann ich ja selbst bei Ihnen voraussetzen, dass Sie das kennen! 
 Alex: Ja, sicher, aber Sie sagten doch, das wird hier was ganz Neues, Innovatives…
H.-W. König: Wird es auch! Aber in den Grundzügen - also, das Gerüst - das bleibt natürlich bestehen.
 Alex: (nicht wirklich überzeugt) Ja, aber…
 Ronny: (kumpelhaft, zieht sie vom Stuhl hoch) Mensch, Alex, Cinderella, das kennst du doch! 
 Ronny tanzt ein paar Schritte mit ihr.
 Ronny: Der Ball, der Prinz, der verlorene Schuh… Cinderella, eben! 
(Er lässt sie wieder los.) 
 Alex: Ach das! (begeistert) Wo die süßen, kleinen Mäuse in Pferde verwandelt werden und ein großer verzauberter Kürbis Cinderella zum Ball fährt? 
 Ronny: Ja, das…
 Alex: (begeistert) Klar, das kenn ich, und sie hat dann am Ende dieses wunderschöne paillettenbesetzte, glitzernde Kleid an. Das wollen wir machen?
 H.-W. König: Nein, natürlich nicht! Für so eine seichte, anspruchslose Disney-Version stehe ich nicht zur Verfügung.
 Alex: Schade, und was machen wir dann?
 H.-W. König: Aschenputtel! Nicht Cinderella!
 Alex: Kriege ich dann wenigstens das Kleid?
 H.-W. König: (genervt) Nein! Erst mal nicht, das müssen Sie sich nämlich erst mal erarbeiten! Musste Aschenputtel ja auch!
 Alex: Aber so ganz ohne Text kann ICH nicht arbeiten!
 H.-W. König: Den entwickeln wir dann noch, Tom und ich. Vielleicht wird es auch ein Musical, das ist noch gar nicht entschieden.
 Alex: Also, doch Träller-Cinderella? 
Ronny: (begeistert) Ja, vielleicht geht das sogar!? Das wär doch spannend!
 H.-W. König: Nein, auf keinen Fall! 
 Ronny: (schwenkt wieder um) Muss ja auch nicht… wird auch sowieso schon viel zu viel gesungen.
 H.-W. König: Also wenn, dann ziehen wir das ganz anders auf, mit kritischen Texten - auf jeden Fall anspruchsvoller! So Richtung „Dreigroschenoper“.
 Alex: Oper? 
 Ronny: Sie wollen Brecht und die Gebrüder Grimm zusammenbringen? Das wäre wirklich mal was ganz Innovatives!
 H.-W. König: Ja, tatsächlich, so was Ähnliches schwebt mir schon vor. Aschenputtel mit sozialkritischem Anspruch.
 Alex: Krass.
 H.-W. König: Ist, wie gesagt, erst mal nur so eine Idee. Mal sehen, was wir da zusammen entwickeln können.
 Ronny: Also doch mit Musik?
 Alex: Oder lieber mit Kleid und ohne Musik?
 H.-W. König: Gott, Kinder, ich weiß es noch nicht! Mit Musik verkauft sich so ein Stoff leider um einiges besser, meint die Produktionsfirma! Das ist so traurig! Da werden die Leute für zwei Stunden mit singenden Mäusen eingelullt, damit sie ihr eigenes Elend vergessen.
 Alex: (schwärmt) Ich fand das aber trotzdem ganz lustig… und erst das Kleid von Cinderella, ein Traum, so schön war das!
 H.-W. König: Ja, gut, wird es aber hier nicht geben! Nicht unter meiner Regie. Nur für den Erstfall, können Sie beide eigentlich singen?
 Ronny: Klar! Wenn es darauf ankommt, dann singe ich!
Alex: Ich singe nur im paillettensetzten Ballkleid, sonst macht das gar keinen Sinn für mich!
 H.-W. König: (atmet tief durch, kramt in seiner Tasche nach seiner Pillendose und  schluckt eine) Wir schauen mal. (zu Ronny) Aber Sie können singen, das ist schön! Ich war ja schon skeptisch, die Rollen hier mit ehemaligen Soap-Darstellern aus… (schnipst)
 Ronny: (beflissen) …verzwickte Zeiten!
 H.-W. König: Ja, das Ding da… mit ehemaligen Soap-Darstellern zu besetzen, die sich zudem auch noch medienwirksam und öffentlich verkracht haben. Meine Idee war das nicht, da bin ich ganz offen mit euch! Die Produktionsfirma hat das vorgeschlagen! Ich hätte mir lieber richtige Schauspieler gewünscht! Aber ich will euch eine Chance geben, vielleicht überrascht ihr mich ja positiv, wer weiß.
 Alex: (zuversichtlich) Bestimmt! Und wie geht’s jetzt weiter? 

 H.W. König:  Textbücher!                                              

 Alex: (kramt hektisch in ihrer Tasche) Moment, bitte. Ich habe es dabei. (findet es nicht) Aber ich habe es natürlich gelesen. Das ist wirklich gut, tolles Drehbuch, gefällt mir sehr!
 H.-W. König: (ungerührt) Könnt ihr wegschmeißen!
 Ronny: Was?
 H.-W. König: (nimmt sich einen Stuhl und setzt sich) Das ist Dreck! Habe den Drehbuchautor gefeuert! Wir brauchen was Frisches, was völlig Neues. Aschenputtel mal ganz frech. Eine innovative Adaption, weg von dem ganzen Grimm- Quatsch. Eine moderne Fassung, die in die heutige Zeit passt!
 Ronny: Wow, das hört sich gut an!
Alex: Cool, weg von den verstaubten Schwarten! Und wer schreibt jetzt das Drehbuch?
 H.-W. König: (stolz) Da habe ich Glück gehabt, dass er gerade frei war! Das macht jetzt Tom Drechsler und der ist wirklich top! Ist euch sicherlich ein Begriff?!
 Ronny: (hat eine vage Ahnung) Ja, sicher, der ist top.
 Alex: (hat überhaupt keine Ahnung)  Klar, Tom Drechsler, der ist so was von top, der toppt sie alle!
 H.-W. König: (schwärmt) Ja, ich bin auch wirklich froh, ihn für dieses Projekt gewonnen zu haben! Ist ein alter Freund von mir und der bringt sich richtig mit ein, der weiß, wie ich arbeite! Der gibt alles!
 Alex: (leise zu Ronny) Der alte Freund?
 Ronny: (leise zu Alex) Vetter!
 Alex: (leise zu Ronny) Der fette Freund aus der Wirtschaft! 
 Beide prusten verkniffen vor Lachen.
 H.-W. König: (streng) Ihr nehmt das aber schon ernst, hier?!
 Alex: Sicher! Tom Drechsler! Top-Autor!
 Ronny: Da können wir alle stolz sein, wenn der für uns schreibt, dann kann das nur klappen!
 H.-W. König: Also, Tom hat mich überzeugt, dass wir für dieses erste Casting mit euch beiden nur die eine, kleine Schlüsselszene brauchen: die Schuhszene, die ist der Dreh- und Angelpunkt! Wenn die stimmt, dann stimmt alles! Da müssen wir hin! 
 H.-W. König steht auf, Ronny steht auch auf, Alex bleibt noch etwas verunsichert sitzen.
 Alex: Ok, aber wo kommen wir denn her? Gibt es noch gar kein neues Textbuch!? Keine Geschichte? 
 H.-W. König: Mensch! Aschenputtel! Haben Sie sich denn gar nicht vorbereitet? Das kann ich ja selbst bei Ihnen voraussetzen, dass Sie das kennen! 
 Alex: Ja, sicher, aber Sie sagten doch, das wird hier was ganz Neues, Innovatives…
H.-W. König: Wird es auch! Aber in den Grundzügen - also, das Gerüst - das bleibt natürlich bestehen.
 Alex: (nicht wirklich überzeugt) Ja, aber…
 Ronny: (kumpelhaft, zieht sie vom Stuhl hoch) Mensch, Alex, Cinderella, das kennst du doch! 
 Ronny tanzt ein paar Schritte mit ihr.
 Ronny: Der Ball, der Prinz, der verlorene Schuh… Cinderella, eben! 
  Alex: Ach das! (begeistert) Wo die süßen, kleinen Mäuse in Pferde verwandelt werden und ein großer verzauberter Kürbis Cinderella zum Ball fährt? 
 Ronny: Ja, das…
 Alex: (begeistert) Klar, das kenn ich, und sie hat dann am Ende dieses wunderschöne paillettenbesetzte, glitzernde Kleid an. Das wollen wir machen?
 H.-W. König: Nein, natürlich nicht! Für so eine seichte, anspruchslose Disney-Version stehe ich nicht zur Verfügung.
 Alex: Schade, und was machen wir dann?
 H.-W. König: Aschenputtel! Nicht Cinderella!
 Alex: Kriege ich dann wenigstens das Kleid?
 H.-W. König: (genervt) Nein! Erst mal nicht, das müssen Sie sich nämlich erst mal erarbeiten! Musste Aschenputtel ja auch!
 Alex: Aber so ganz ohne Text kann ICH nicht arbeiten!
 H.-W. König: Den entwickeln wir dann noch, Tom und ich. Vielleicht wird es auch ein Musical, das ist noch gar nicht entschieden.
 Alex: Also, doch Träller-Cinderella? 
Ronny: (begeistert) Ja, vielleicht geht das sogar!? Das wär doch spannend!
 H.-W. König: Nein, auf keinen Fall! 
 Ronny: (schwenkt wieder um) Muss ja auch nicht… wird auch sowieso schon viel zu viel gesungen.
 H.-W. König: Also wenn, dann ziehen wir das ganz anders auf, mit kritischen Texten - auf jeden Fall anspruchsvoller! So Richtung „Dreigroschenoper“.
 Alex: Oper? 
 Ronny: Sie wollen Brecht und die Gebrüder Grimm zusammenbringen? Das wäre wirklich mal was ganz Innovatives!
 H.-W. König: Ja, tatsächlich, so was Ähnliches schwebt mir schon vor. Aschenputtel mit sozialkritischem Anspruch.
 Alex: Krass.
 H.-W. König: Ist, wie gesagt, erst mal nur so eine Idee. Mal sehen, was wir da zusammen entwickeln können.
 Ronny: Also doch mit Musik?
 Alex: Oder lieber mit Kleid und ohne Musik?
 H.-W. König: Gott, Kinder, ich weiß es noch nicht! Mit Musik verkauft sich so ein Stoff leider um einiges besser, meint die Produktionsfirma! Das ist so traurig! Da werden die Leute für zwei Stunden mit singenden Mäusen eingelullt, damit sie ihr eigenes Elend vergessen.
 Alex: (schwärmt) Ich fand das aber trotzdem ganz lustig… und erst das Kleid von Cinderella, ein Traum, so schön war das!
 H.-W. König: Ja, gut, wird es aber hier nicht geben! Nicht unter meiner Regie. Nur für den Ernstfall, können Sie beide eigentlich singen?
 Ronny: Klar! Wenn es darauf ankommt, dann singe ich!
Alex: Ich singe nur im paillettensetzten Ballkleid, sonst macht das gar keinen Sinn für mich!
 H.-W. König: (atmet tief durch, kramt in seiner Tasche nach seiner Pillendose und  schluckt eine) Wir schauen mal. 

 

Ende Textauszug

 

 


                         Aus: MANITU DRÜCKT EIN AUGE ZU

Karl May ist auf dem Höhepunkt seines künstlerischen und finanziellen Erfolgs, als er im März 1899

zusammen mit seinem Verleger, seiner Ehefrau und einer Freundin, die kurze Zeit später seine zweite

Ehefrau werden wird – auf gepackten Koffern sitzt und eine Reise antreten will, die ihn zum ersten

Mal in seinem Leben an die Stätten seiner angeblichen Abenteuer in den Orient führen soll.

 

1. Szene

Das Licht im Zuschauerraum verlischt und die einschlägige, aus den Verfilmungen bekannte Winnetou-

Erkennungsmelodie wird eingeblendet.

Mit dem Öffnen des Vorhangs wird die Musik vom Zuschauerraum auf ein Grammophon auf der

Bühne gezogen, das die Musik weiterspielt – bis die Platte offenbar hakt.

Wir befinden uns im Arbeitszimmer von Karl May, in dem sich die unterschiedlichsten Artefakte

befinden. Mehrere kleine und ein großer Reisekoffer, einige Flaschen und Gläser, Orientteppiche,

Tierfelle, ein großer Mumiensarkophag, Bücher, große Alben, aus denen Zeitungsausschnitte herausragen,

mehrbändige Enzyklopädien, Landkarten und alles, was der Theaterfundus hergibt.

Karl May betritt die Bühne, nimmt die Schellack-Platte vom Grammophon und zerbricht sie.

 

MAY: Unglaublich, unerhört, unfassbar! (geht zu seinem Schreibtisch und wühlt in Briefen, nimmt

einige, liest) „Alles erlogen, nie da gewesen, verdirbt unsere Jugend, Hochstapler, Zuchthäusler …“

(brüllt) Emma!

(Emma May schlurft heran.)

EMMA: Karl, was ist denn schon wieder? Ich muss bis zur Abreise noch so viel erledigen … Wir

haben wirklich nicht mehr viel Zeit … (greift routiniert aber auch etwas genervt zum indianischen

Kopfschmuck)

(May dreht sich um, sieht sie verwundert an.)

MAY: Was? Nein, jetzt nicht! (außer sich) Schaff mir diese Briefe aus den Augen! Ich will sowas

nicht mehr sehen. (wirft ihr die Briefe vor die Füße, zetert weiter) Unverschämtheit, bodenlos …

Was glauben die denn mit wem sie es zu tun haben?

EMMA: Ja, das ist eben die Frage …

MAY: (zetert weiter)

Ich hätte alles frei erfunden schreiben die! Alles! Mein Freund Winnetou

ist in meinen Armen gestorben, und die schreiben, er hätte nie gelebt! Emma, das ist zuviel!

EMMA: Beruhig dich, du sollst dich doch nicht immer so aufregen …

MAY: Dann sorg gefälligst dafür, dass ich das auch nicht muss. Ich muss weiter schreiben, das wird

mir gut tun, also, keine Post mehr und auch sonst keine Störungen!

EMMA: Ich will mein Bestes tun …

MAY: (hält noch immer empört einen Brief in der Hand) Hier steht, ich sei ein „Pseudologe“ … Ich

weiß nicht mal, was das ist!

EMMA: (trocken, kann sich ein Grinsen aber nicht verkneifen) Ein Pseudologe … Das ist ein zwanghafter

Lügner.

MAY: Raus! Sofort raus! Ich wurde am Kaiserhof in Wien empfangen, alle Welt liest May! Und jetzt

so etwas …

(Emma schlurft ungerührt mit den Briefen wieder ab.)

Ich habe das doch alles erlebt, ich war doch da, ich erzähle nur wirklich Geschehenes, was wollen

die denn?! So viele Geschichten kann man sich doch gar nicht ausdenken … Nichtskönner, die …

(Er geht zum Fenster und blickt hinaus; zwei Indianer – die als solche nicht zu erkennenden Darsteller

von Friedmund und Klara – tanzen mit Trommeln vorbei.)

(betrachtet regungslos das Spektakel) Aber ja, die Komanchen könnten sie gefangennehmen und

martern und skalpieren, natürlich! Das sollte ich gleich notieren..

(Es klopft.)

MAY: (brüllt wütend) Was ist denn schon wieder, kann man denn hier nicht mal eine Minute seine

Ruhe haben?!

(Die Tür geht vorsichtig auf. Auftritt Verleger Fehsenfeld.)

EMMA: Karl, Herr Fehsenfeld ist angekommen.(zu Fehsenfeld) Seien Sie vorsichtig, er hat grade

wieder so eine Phase, das ist die jetzt Aufregung, das Reisefieber …

FEHSENFELD: Karl? Ich bin’s Friedrich. Darf ich reinkommen?

(Emma ab)

MAY: (beruhigt sich) Ach, du …

FEHSENFELD: Ich hoffe, ich störe nicht …

MAY: (seufzt resigniert) Du störst mich nur beim Schreiben, aber das tun hier ja sowieso alle … Ich

wünschte ich wäre nach  Mulda gefahren, hätte mich einfach dort eingeschlossen. Da kommt nie einer

vorbei, da hat man seine Ruhe!

FEHSENFELD: Aber, aber! In ein paar Stunden geht es doch schon auf die große Reise! Wie ich dich

beneide, Karl!

MAY: Beneide du mich nur, ich bereue es jetzt schon.

FEHSENFELD: Nun, nun. Ich sage nur „Kara Ben Nemsi“.

MAY: Ja, ja.

FEHSENFELD: Ich sage nur „Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al

Gossarah“.

MAY: Ist ja gut.

(...)

FEHSENFELD: Aber irgendwann hat jede nun mal Geschichte ein Ende. Der Orientzyklus, Winnetou … Du drehst

dich da ein bisschen im Kreis.

MAY: (beleidigt) Es gibt immer neue Geschichten!

FEHSENFELD: Ganz genau! Du bist ein brillanter Autor, der jetzt eine neue Herausforderung annehmen

sollte! Weg vom Wilden Westen.

MAY: (seufzt) Na, gut, nun sag schon, woran denkst du?

FEHSENFELD: (begeistert) An Magie! Zauberei!

MAY: Ah, so ähnlich wie bei den Medizinmännern, ja?

FEHSENFELD: (druckst herum) Naja, nein, so ähnlich, aber anders.

MAY: Wie anders?

FEHSENFELD: Ganz anders! Denk doch nur an Merlin und die Geschichte vom Schwert im Stein …

MAY: Gibt’s schon.

FEHSENFELD: (begeistert sich weiter für seine Idee) Hör zu, ein Junge, so 12, 13 Jahre alt, seine

Eltern vernachlässigen ihn und seine Geschwister hänseln ihn...

MAY: Ich weiß ja nicht, worum es gehen soll, aber wenn du die Leser auf seine und damit auf deine

Seite ziehen willst, dann hat er keine Geschwister. Und seine Eltern hat er am besten frühzeitig

verloren. Das sind doch klassische Motive, die sollte ein Verleger doch kennen.

FEHSENFELD: Das ist gut, das ist sehr gut, ja, er ist ganz allein auf der Welt …

MAY: (gelangweilt) Ja, der zieht dann ein Schwert aus einem Stein, wobei ihm ein keltischer Magier

tatkräftig zur Seite steht, und wird dadurch der neue König von...Hab ich vergessen...Ist ja auch egal...Gibt's jedenfalls schon.

FEHSENFELD: Nein, ganz anders, er zieht gar nichts irgendwo raus …

MAY: Nicht?

FEHSENFELD: Nein, tut er nicht … Er übt sich in guter Magie und erlernt das Zauberhandwerk …

Gut gegen Böse, Schwarz gegen Weiß …

MAY: Darüber soll ich schreiben?

FEHSENFELD: Der Junge geht dann sogar auf eine Zauberschule, findet dort neue Freunde, die ihm 

im Kampf gegen einen mächtigen bösen Zauberer beistehen …

MAY: Eine Zauberschule?

FEHSENFELD: Ja, genau! Und zusammen mit seinen Freunden besiegt der Junge dann am Ende den

bösen Zauberer und die dunklen Mächte!

MAY: Das mit dem Rausziehen hat mir besser gefallen …

FEHSENFELD: So eine Geschichte wäre bestimmt ein großer Erfolg! Das würde keiner von dir

erwarten!

MAY: Du bist ja nicht mehr bei Sinnen! Ich schreibe doch keine Kinderbücher! So eine kleine 

Hokuspokus-Geschichte interessiert doch nun wirklich niemanden!

(...)

 

Ende Textauszug